Vor einigen Tagen traf ich eine Bekannte beim Einkaufen. Sie sprach mich sofort auf meinen Blog an und bedankte sich für die vielen Infos, sie würde viel dazu lernen, auch für ihre eigene Arbeit. Sie ist selbst Reitlehrerin für Kinder und schlug mir vor, doch einen Artikel zu den Themen „Sitzkorrektur“ und „Entwicklung des Körperbaus bei Kindern und Jugendlichen“ zu schreiben. Gesagt, getan, hier ist also der heutige Artikel zum Thema „warum wir die Sitzkorrektur bei Kindern und Jugendlichen vernachlässigen und eher nachrangig betrachten“:

Wenn Kinder zu uns auf den Hof kommen mit dem Wunsch, Reiten zu lernen, dann haben viele Eltern oft die Vorstellung, dass wir – wie in einer klassischen Reitschule – Kommandos geben wie z. B. „Hacken runter, Schultern zurück, Kopf aufrecht“ etc.. Sie sind überrascht (oft auch negativ dem gegenüber eingestellt), weil wir das so in der Form nicht tun.

Oft kommt dann der Kommentar „Aber das Kind sitzt doch da völlig schief auf dem Pony, da müssen Sie doch aber was sagen“. Ich beginne dann, den Eltern zu erklären, warum wir diese Anweisungen vermeiden:

  1. Der Körperbau und das Wachstum eines Kindes sind unregelmäßig und nicht linear. Das heißt, der Körper eines Kindes wächst unterschiedlich schnell. Oft kann es sein, dass z. B. die Beine nicht gleich lang sind oder die Hüftknochen eine unterschiedliche Höhe aufweisen.
    Aufgrund von Fehlstellungen innerhalb des Körperbaus am Sitz herumzuarbeiten wäre in dem Moment kontraproduktiv, weil man Muskulatur, Sehnen und Bänder stärken und unregelmäßig trainieren würde, sodass – wenn der Körper wieder linear entwickelt ist – die Sehnen, Bänder und Muskeln eine ungesunde Schiefe hervorbringen, die dann wiederum gegenkorrigiert werden muss.
  2. Emotionen beeinflussen den Sitz. Ein Kind, welches Angst hat, kann nicht gelöst und entspannt sitzen. Es wird sich festklammern, den Rücken nicht aufrichten und sich mit den Händen am Sattel oder an der Mähne festklammern. Wenn wir nun Dinge von ihm fordern, für die es notwendig wäre, zunächst die Emotionen abzubauen, werden wir unweigerlich scheitern. Denn die Emotionen sind die Grundlage für angespannte oder entspannte Haltung. Wir arbeiten in diesem Fall zu 99% an den Emotionen. Wenn das Kind die Angst verliert, richtet es sich automatisch mehr auf und verliert seinen unsicheren zusammengekauerten Sitz. Selbstverständlich gibt es hierbei auch die Möglichkeit, die Emotionen über die Veränderung des Körpers zu verändern, aber nach unseren Erfahrungen ist die Zeit der wichtigste Faktor beim Abbau von Angst.

Wenn die Atmosphäre vertrauensvoll, das Pony gut ausgebildet und der Trainer geschult ist im Umgang mit Emotionen, dann ist dieser Weg der für uns geeignete.

Die Entwicklung im Jugendalter ist eine besonders spannenden Phase. Gerade hier spielt die Sitzkorrektur eine kritische Rolle, da Jugendliche aufgrund ihrer Entwicklung ein erhöhtes Längenwachstum aufweisen. Viele Leistungssportler kennen das Phänomen z. B. in der Leichtathletik auf dem Schwebebalken: Der oder die Jugendliche kann plötzlich das Gleichgewicht nicht mehr so halten, wie es vorher 10.000 Mal sicher durchgeführt wurde. Es kommt zu Frustration, weil der Jugendliche das Gefühl hat Rückschritte zu machen. Hier Druck anzuwenden hilft dem Jugendlichen nicht weiter, sondern frustriert noch mehr. Wir beobachten dies oft beim Springen. Während der Jugendliche sonst immer fließend mit seinem Pony über die Sprünge galoppiert ist, wird diese fließende Bewegung plötzlich abgehackt und unsauber. Oft erklären wir den Jugendlichen, was gerade mit ihrem Körper passiert, warum es jetzt plötzlich so schwierig wird, was vorher immer einfach schien. Das hilft den Jugendlichen und nach einer kleinen Zeitspanne gelangen sie aufgrund ihrer Entwicklung auch wieder zur alten Form.

Kennst du selbst solche Erlebnisse? Oder wie hast du das Wachstum deines oder deiner Kinder beobachtet?

Ich freue mich über dein Feedback,

eure Marina