*** Und wieder das Thema „Unzufriedenheit nach einer Reitstunde“***

„Heute hatten wir wieder eine Reitstunde. Fotos gibt es davon nicht. Wir gingen zunächst auf das an der Weide liegende Stoppelfeld. R. (das Pferd) war zunächst guckig, aber seine Aufmerksamkeit ließ sich durch ein paar Übungen einstellen. Leider kam dann der Bauer und wollte pflügen. Also entschieden wir uns zum nächsten Feld aufzubrechen… Auf dem Weg dorthin kam uns ein Auto entgegen, wir machten Platz. Das Auto hatte aber schon vorher am Rand geparkt. Also ging es weiter. R. war sehr guckig. Aus dem Wagen war ein Jäger mit Hund ausgestiegen. Herr Pferd versuchte immer wieder dort hinzusehen . Er wurde unruhiger. Aber es ging normal weiter. So dann kamen wir zu den Schafen, die heute mal wieder schrecklich waren…“

Und die nächste Schilderung einer Angstreiterin von einer Situation, in der ich die Qualität der Trainerin eindeutig anzweifle…

Die Aussage „R. war zunächst guckig“ sagt mir als Mensch mit gesundem Menschenverstand, dass das Pferd a) dem Reiter nicht vertraut, b) der Situation nicht vertraut, c) der Örtlichkeit nicht vertraut und d) auch der Begleitung nicht vertraut.

Die Reiterin gibt sich selbst und ihr Pferd in die vertrauensvollen Hände einer Trainerin, die dieses Vertrauen mißbraucht, in dem sie die Zeichen, die das Pferd sendet, nicht wahrnimmt, und sich für das Weiterreiten entscheidet bzw. nicht klar sagt „nein, wir reiten hier nicht weiter (ggf. auch gegen den Wunsch der Angstreiterin“) – obwohl sie von der Angst der Reiterin weiß!

In mir drin zieht sich wieder alles zusammen… Es fühlt sich an, als müsse ich mit dem Kopf gegen die Wand schlagen und immer wieder stakkatomäßig brabbeln „warum? warum? warum? warum?…“

Ich lese weiter… „seine Aufmerksamkeit ließ sich durch ein paar Übungen einstellen“.
Gut dagegen ist ja primär nichts zu sagen. Da lag der Focus dann auf dem Pferd und das ist ein guter Schritt denke ich. Aber es geht weiter… Die Reiterin schreibt „R. war sehr guckig“….

In mir drin schreit es nahezu „Warum zum Henker reitest du weiter, wenn dein Pferd auch nach den Übungen nicht vertrauensvoll bei dir ist???“ Aber die Kritik geht hauptsächlich an die Trainerin, die das alles doch bitteschön auch wissen müsste…

Ich bemühe mich, meinen Puls wieder unter Kontrolle zu bringen und lese weiter…
„Herr Pferd versuchte immer wieder dorthin zu sehen“ …

Ähm ja! Das ist so wenn das Fluchttier Angst hat und sich nicht sicher fühlt und auch keine Sicherheit bekommt. Es ist auf sich allein gestellt und muss zusehen, dass es sein Leben nicht weiter in Gefahr bringt. Das ist das einzige Interesse, was das Pferd zu dem Zeitpunkt noch hat.

Warum hat man da noch den Focus darauf, dass man eine „gute Reitstunde“ erleben möchte? Warum schaut man nicht zuerst auf das Pferd? Gibt ihm das was es braucht, damit es Sicherheit bekommt? Warum scheucht man 2 ängstliche Lebewesen (Pferd und Reiter) gemeinsam in eine Situation, die von vorneherein zum Scheitern verurteilt war? Warum beginnt man nicht mit Basisarbeit? Vertrauen aufbauen auch in fremder Umgebung, bei fremden Einflüssen, mit unsicherer Reiterin ist einfach nicht möglich! Man kann nur ENTWEDER an der Unsicherheit des Pferdes arbeiten, ODER an der Unsicherheit des Reiters. NICHT aber an beidem, zumindest nicht, wenn sich beide schon so weit aus ihrer Kompetenz herausgewagt haben, wie in diesem Fall.

Ich habe den Beitrag gekürzt, weil es einfach nur noch weitergeht und die Reiterin zum Schluss endlich absteigt (und nun aber frustriert ist, weil sie es „wieder nicht geschafft hat“).

Ich habe nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen und möchte mich auch nicht als die Einzig wahre Trainerin hinstellen. Aber offenbar fällt deutlich auf, dass gerade im Bereich Trainer bei Angstreitern ganz viele schwarze Schafe rumlaufen.

Ich jedenfalls traue mich, das anzusprechen, mal den Mund aufzumachen, die Reitschüler in Schutz zu nehmen und bei den Trainern darauf zu appellieren, dass sie verdammt nochmal die Verantwortung für Reiter und Pferd haben und dass sie doch bitte vor der Reitstunde den Verstand einschalten sollen – und wenn sie dann zu dem Ergebnis kommen, dass sie dem Pferd-Reiter-Paar nicht gut genug helfen können, weil die Emotionen auf beiden Seiten (bei Pferd und Reiter) zu hoch sind, den A… in der Hose haben, und sagen „es tut mir leid, hier muss jemand her, der das noch besser kann als ich“.

Hier wird wieder deutlich, wie ein Mensch entmutigt wird, der sein Pferd liebt und Ziele hat, der aber aufgrund der Inkompetenz der Trainerin nicht angstfrei wird, sondern in sein Trauma und in seine Angst nur tiefer hineingeprügelt wird…

Gut für mich, mag man meinen, das sind alles potentielle Kunden, die dann kommen, wenn alles andere nicht mehr hilft… wünschenswert wäre es doch aber, wenn, gerade im Trainerbereich, ein ausreichendes Selbstverständnis entwickelt ist, seine persönlichen Grenzen a) zu kennen und b) auch äußern zu können, BEVOR es für die Reiterin noch Schlimmer wird und die Angst beim nächsten Mal dann noch größer ist…

Gehabt euch wohl, bis bald,
Marina Lange