Viele Reitställe preisen es an: Das Abteilungsreiten. Doch ist es noch zeitgemäß?

 Was ist Abteilungsreiten eigentlich?

Abteilungsreiten bedeutet, dass jedes Kind (unabhängig vom Können) ein „eigenes“ Pferd bekommt, auf dem es reitet und alle Kinder im Gänsemarsch hintereinander her reiten.

Woher kommt das Abteilungsreiten?

Der Ursprung des Abteilungsreitens kommt aus dem Militär, in dem es wichtig war, dass alle auf Kommando bestimmte Reitfiguren absolvieren, um in der Schlacht Manöver durchführen zu können, die den Gegner zu Fall bringen sollten.

Die Vorteile des Abteilungsreitens

Das Abteilungsreiten bietet unterschiedliche Vor- und Nachteile. Durch den natürlichen Herdentrieb folgt ein Pferd dem anderen auf natürliche Weise. Es ist in der Entwicklung der Pferde so vorgesehen, dass alle Pferde mitlaufen, sobald ein Pferd läuft. Hierbei geht es nicht nur um das Aufsuchen einer Futter- oder Wasserstelle, sondern z. B. auch in der Flucht, wenn Gefahr durch ein Raubtier drohte. Diesen Herdentrieb kann sich der Reitlehrer zu Nutze machen, da das auf dem Pferd sitzende Kind nicht aktiv zu werden braucht und das Pferd trotzdem in die richtige Richtung läuft.

Desweiteren besitzt das Pferd von Natur aus einen „Nachahmungstrieb“. Schon als Fohlen lernt es die Mutter zu kopieren und nachzuahmen. So sieht das Pferd beim Abteilungsreiten, was das Vorderpferd macht und macht diese Bewegung nach. Auch hier braucht das Kind nicht aktiv einwirken. Das Kind hat in beiden Fällen den Vorteil, dass es sich selbst erst einmal sortieren und einfühlen kann, weil das Pferd automatisch mitläuft.

Außerdem kann das Kind bei den Vorreitern schauen, wie diese eine Hilfe geben und dies dann nachmachen.

Beim Abteilungsreiten kann ein Reitlehrer viele Kinder und Pferde auf einmal im Blick haben.

Es ist also eine ökonomisch vorteilhafte Art, Unterricht zu gestalten.

Die Nachteile des Abteilungsreitens

Neben diesen positiven Aspekten gibt es jedoch natürlich auch Nachteile.

Das Kind sitzt auf einem Pferd, dass wie ein Computer die Dinge abspult, die das Vorderpferd tut oder die (aufgrund einfallslosen Unterrichtstils)als nächste Bewegung dran sind – z. B. Das Antraben jedes Mal nach der Übung „Durch die ganze Bahn wechseln“. Das Kind kann im Prinzip nicht auf das Pferd einwirken, erlebt dadurch eine Ohnmacht, während von außen, als Zuschauer, der Eindruck entsteht, das Kind würde das Pferd gut beherrschen.

Abteilungsreiten dauert in der Regel 45 – 60 Minuten. Ein Kind hat allerdings selbst im Teeny-Alter maximal eine Konzentrationsspanne von 30 Minuten. Im Grundschulalter sprechen wir von 10-15 Minuten. Was tut das Kind nun die übrige Zeit auf seinem ohnehin automatisiert laufenden Pony? Es träumt. Gleitet ab in Phantasiewelten, bei denen es über die Wiese, statt auf dem Reitplatz galoppiert. Es braucht sich im Prinzip auch nicht permanent zu konzentrieren, da das Pony ohnehin fast alles allein tut. Konzentration erfordert es nur, wenn man an der Tete, also an der Spitze der Abteilung reitet. Abteilungsreiten überfordert das Kind also hinsichtlich seiner Konzentrationsfähigkeit.

Was nun aber, wenn das Pferd sich erschreckt, während das Kind träumt? Es kann nicht so schnell reagieren, wie es erforderlich wäre – Unfälle dieser Art sind häufig. Es heißt dann, das Kind hätte nicht aufgepasst.

Ein Anfängerkind ist in jedem Falle damit überfordert, in einer Stunde ein Pferd für sich allein zu haben.

Reiten lernen ist ein bisschen wie Autofahren: In der Fahrstunde lenkt man zunächst einfach nur, der Fahrlehrer gibt Gas, schaltet, bremst und greift auch ins Lenkrad, wenn es sein muss. Beim Abteilungsreiten muss das Kind gleich alles auf einmal allein tun. Lenken, Gas geben, bremsen, aufpassen, zuhören was der Reitlehrer sagt usw.

Zugegeben, das klingt jetzt ein bisschen widersprüchlich. Einerseits ist das Kind überfordert das Pony eine Stunde lang zu reiten, andererseits macht das Pony ja eh alles allein und das Kind reitet nur als Tragling oben mit. Es ist die Kombination aus den verschiedenen Eindrücken, die dazu führt, dass das Kind kaum Erfolgserlebnisse sammeln kann.

Beim Abteilungsreiten wird kein Wissen über die Bodenarbeit vermittelt. Wertvolle Bodenarbeit – und damit die Basis – wird komplett vernachlässigt. Wer das Pferd vom Boden beherrscht, hat später im Sattel weniger Schwierigkeiten. Im Gefahrenfall kann abgestiegen werden und vom Boden das Pferd gehändelt werden. Wer dies aber nie geübt hat, wird sich am Boden unsicherer fühlen, als im Sattel. Ein fataler Fehler, so passieren viele Unfälle.

Es ist für ein Kind einfach frustrierend und auch beängstigend, wenn es irgendwo drückt und zieht und das Pferd macht einfach nicht das, was es soll. Manchmal galoppiert das Pferd einfach an, obwohl das Kind noch nicht bereit ist, nur weil das Vorderpferd ja eben auch Galopp gemacht hat. Manchmal galoppiert es nicht an und kürzt ab, weil es nur schnell wieder hinten an die Abteilung (seine Herde) anschließen möchte usw.

Oft ist dann die Abteilung mit acht und mehr Pferden so groß, dass der Reitlehrer nur allgemeine Kommandos abgeben kann, anstatt individuell auf den einzelnen Reitschüler einzugehen. Auch eine innere Differenzierung (also Aufgaben dem Können und der Entwicklung des einzelnen Kindes entsprechend anzupassen) ist in der Abteilung nur schwer möglich.

Du siehst, Abteilungsreiten kann Vorteile, aber auch Nachteile haben. Ich habe dir hier noch einmal eine Tabelle der Vor- und Nachteile aufgelistet, sodass du dir selbst ein Bild davon machen kannst.

Zusammenfassung

Vorteile:

  • Herdentrieb wird genutzt
  • Nachahmtrieb der Pferde wird genutzt (das Pferd sieht, was das Vorderpferd tut und macht dies nach, unabhängig davon, was das Kind obendrauf tut)
  • Viele Kinder auf vielen Ponys im Blick haben zu können
  • Dadurch höherer Verdienst für den Reitschulbetreiber
  • Das Kind kann sich selbst erstmal sortieren und einfühlen, weil das Pferd automatisch mitläuft
  • Man kann bei den Vorreitern gucken, wie die das machen

Nachteile:

  • Automatisierter Ablauf (das Kind kann das Pferd nicht kontrollieren, da es robotermäßig das tut, was das Vorderpferd tut)
  • Zu lange Zeit für zu kurze Konzentrationsfähigkeitszeit von Kindern (Kinder können sich, abhängig vom Alter, nur etwa 10-30 Minuten am Stück konzentrieren)
  • Unfallgefahr ist höher (wenn das Kind auf dem Pony träumt, weil die Konzentrationsfähigkeit nachlässt, dann bekommt es nicht mit, dass das Pony vielleicht etwas Unheimliches entdeckt hat, vor dem es gleich scheuen wird)
  • Anfängerkinder werden überfordert, wenn sie gleich die Verantwortung für ein Pferd komplett übernehmen sollen
  • Wertvolle Bodenarbeit, und damit die Basis, wird komplett vernachlässigt.
  • Ohnmachtserfahrung + Frustrationserfahrung für das Kind, wenn das Pferd nicht das macht, was das Kind oben „sagt“.
  • Oft zu viele Reitschüler (mehr als sechs), sodass auf den Einzelnen nur wenig eingegangen werden kann
  • Keine innere Differenzierung möglich

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