Was ist Reitpädagogik? – und warum wir keine klassische Reitschule sind

„Absätze tief! Schultern zurück! Und lächeln bitte!“

So oder so ähnlich klingt es in vielen klassischen Reitstunden. Das Kind klemmt sich irgendwie auf dem Pony fest, die Schultern wandern weiter nach oben statt zurück, und das mit dem Lächeln klappt höchstens, wenn die Eltern vom Rand aus winken.
Das Pferd trottet brav in der Abteilung hinterher. Es macht halt mit. Genau wie das Kind.

Und genau hier beginnt das Missverständnis.

Denn viele Menschen – Eltern, Trainer:innen, sogar Behörden – denken bei „Reitpädagogik“ immer noch an eine etwas sanftere Art von Reitunterricht.
Ein bisschen kindgerechter, vielleicht mit bunter Hütchenparade, aber am Ende doch wieder: Technik, Kontrolle, Durchhaltevermögen.
Also: „Wie wir Kinder auf Pferde bringen und ihnen beibringen, oben zu bleiben.“

Was ist Reitpädagogik?

Doch Reitpädagogik, wie wir sie bei Naturalkids® verstehen, beginnt ganz woanders:
Nicht im Sattel. Sondern im Kontakt.
Im Vertrauen.
Im Raum dazwischen – zwischen Kind und Pferd, zwischen Bedürfnis und Möglichkeit, zwischen Druck und echter Entwicklung.

Was bedeutet Reitpädagogik eigentlich?

Eine gute, allgemeingültige Definition für den Begriff „Reitpädagogik“ gibt es leider nicht.

„Reitpädagogik ist die pädagogisch fundierte, tiergestützte Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Lernfeld Pferd. Ziel ist es, durch die Begegnung mit dem Pferd soziale, emotionale, kognitive und motorische Kompetenzen zu fördern.“

Das würde in etwa ausdrücken, was fachlich bei der Reitpädagogik passiert… Für mich bedeutet Reitpädagogik aber noch mehr:
Sie ist keine Methode. Sie ist eine Haltung.
Eine Haltung, die Kinder ernst nimmt, Pferde respektiert – und uns als Pädagog:innen auffordert, genau hinzusehen, bevor wir handeln.

Warum mir das so wichtig ist?

Weil ich selbst erfahren habe, wie es sich anfühlt, wenn niemand genau hinsieht.
Ich war in vielen Reitställen – und fast überall war das Muster dasselbe:
Es gab die Gruppe. Und es gab mich – außen vor.
Nicht, weil ich nicht reiten konnte. Sondern weil ich anders war. Ruhiger vielleicht. Nachdenklicher.

Statt Rückhalt gab es Mobbing. Und pädagogisch hat das niemand aufgefangen. Im Gegenteil. Es wurde viel angeboten – zumeist auf Kosten der Pferde. Ich weiß, wie häufig ich mit Tränen in den Augen die Maulwinkel des Pferdes mit Vaseline einschmierte, weil der Bereich wund war – vom Gebiss und meinen stümperhaften Versuchen, mich irgendwie auf dem Pferderücken zu halten. Innerlich murmelte ich leise „Es tut mir leid“ – weil ich zwar wusste, dass man sich nicht am Zügel festhalten soll, aber wirkliche Hilfestellung gab es nicht. Auch nicht, wie ich mit den Schuldgefühlen umgehen sollte, die mich immer überfielen, wenn das Pferd nach der Tortur wieder in seine Box gebracht wurde.

Niemand war da, der mir als 8-jähriges Kind erklärte, dass diese Verletzungen nicht nur von mir kommen – sondern von den vielen anderen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die tagtäglich auf diesem Pferd ihre Runden in der Abteilung ritten… Der Schmerz und die Scham blieben. Und der innere Antrieb, der mir auch jetzt noch die Tränen in die Augen treibt, wenn ich darüber schreibe – der aber gleichzeitig mit Naturalkids® auch so viel Wertvolles in die Welt gebracht hat.

Diese Erlebnisse prägen mich bis heute. Und sie sind der tiefste Grund dafür, dass ich Naturalkids® gegründet habe.
Weil ich mir damals geschworen habe: „Das soll kein Kind mehr erleben müssen.“

Was ist Reitpädagogik wirklich?

Reitpädagogik ist kein Reitunterricht mit ein bisschen Basteln nebenbei.
Es ist ein eigener, fundierter pädagogischer Ansatz, der das Pferd nicht als Mittel zum Zweck sieht – sondern als echten Partner im Entwicklungsprozess.

Bei Naturalkids® bedeutet Reitpädagogik:

  • Kognitive Entwicklung fördern, indem Kinder lernen, Zusammenhänge zu verstehen (z. B. warum ein Pferd erschrickt oder wie Körpersprache wirkt)

  • Emotionale Entwicklung begleiten, indem sie erleben, dass ihr Gefühl zählt und sie mit Angst oder Unsicherheit nicht allein sind

  • Soziale Kompetenzen stärken, durch Gruppenrituale, Konfliktarbeit und gemeinsame Verantwortung

  • Motorische Fähigkeiten verbessern, durch kreative Bewegungserfahrungen mit und auf dem Pferd

  • Selbstwirksamkeit ermöglichen, durch echte Aufgaben mit echtem Ergebnis – kein bloßes Mitlaufen

Der Fokus liegt nicht auf dem „Reiten können“, sondern auf dem „sich entwickeln dürfen“.
Und genau das ist es, was diese Arbeit so kraftvoll macht – für die Kinder, für die Ponys und auch für uns als Begleiter:innen.

Warum Naturalkids® anders ist – ganz bewusst

Wir sind keine klassische Reitschule – und das ist kein Zufall.

Wir haben uns ganz bewusst gegen viele der gewohnten Strukturen entschieden, die Kinder oft reingepresst statt begleitet fühlen lassen.
Nicht, weil wir es „besser wissen“, sondern weil wir wissen, was Kinder brauchen – und was Pferde verdienen.

Was wir nicht machen:

  • Kein Abteilungsreiten:
    Unsere Kinder laufen nicht im Gänsemarsch im Kreis. Sie gestalten mit, führen sich gegenseitig und lernen, wirklich zu spüren, was zwischen ihnen und dem Pferd passiert.

  • Keine Sitzkorrektur:
    Niemand wird bei uns für krumme Schultern gerügt. Wir vertrauen darauf, dass sich ein guter Sitz aus einem guten Gefühl entwickelt – nicht umgekehrt.

  • Kein Drill. Kein Vergleich:
    Bei uns wird nicht benotet, bewertet oder gemessen. Wir schaffen Erfahrungsräume statt Leistungsdruck.

  • Kein reines Techniktraining:
    Technik kann man lernen. Beziehung muss man erleben. Wir beginnen beim Zweiten – und bauen darauf auf.

Was wir stattdessen tun:

  • Kinder dürfen ankommen – mit allem, was sie mitbringen.
    Ob schüchtern, quirlig, unsicher oder hochbegabt – jedes Kind bekommt bei uns Raum, sich sicher zu fühlen. Erst dann entsteht echte Entwicklung.

  • Das Pferd ist kein Sportgerät.
    Unsere Ponys sind Partner mit Persönlichkeit. Sie dürfen „Nein“ sagen. Sie dürfen Bedürfnisse zeigen. Und genau deshalb sind sie so wertvolle Lehrmeister.

  • Wir arbeiten beziehungsorientiert – im wörtlichen Sinne.
    Beziehung steht bei uns über allem. Zwischen Mensch und Pferd. Zwischen Trainer:in und Kind. Zwischen den Kindern untereinander.

  • Wir denken ganzheitlich und langfristig.
    Was heute wie Spiel aussieht, ist morgen ein stabiler Baustein für Selbstvertrauen, Verantwortungsbewusstsein und Empathie.

Das alles ist nicht immer bequem. Nicht für uns als Pädagog:innen – und manchmal auch nicht für Eltern, die es „von früher“ anders kennen.

Aber es ist ehrlich. Wirksam. Und nachhaltig.
Denn die Kinder, die so lernen dürfen, nehmen mehr mit als Reittechnik. Sie nehmen etwas mit, das sie durch ihr ganzes Leben tragen können:
Ein Gefühl von Verbindung. Verantwortung. Und Vertrauen – zu sich selbst, zum Pferd, zur Welt.

Wie sich das in der Praxis zeigt – echte Geschichten statt Hochglanzprospekte

Bei Naturalkids® geht es nicht um perfekte Postkartenmomente. Es geht um echte Entwicklungen, kleine Wendepunkte, stille Triumphe. Und genau die zeigen sich oft dann, wenn man am wenigsten damit rechnet.

Beispiel: L. und das „Hier-und-Jetzt“-Mantra

L. hatte ADHS. Und ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Kontrolle. Schon beim Absteigen fragte sie:
„Was machen wir als Nächstes? Und danach? Und danach?“

Anfangs antwortete ich geduldig. Dann irritiert. Schließlich entstand ein Ritual – ein Satz, der für uns beide zum Kompass wurde:
„Wir leben im Hier und Jetzt.“

Immer wenn die Frage kam, gab es diese Antwort. Unaufgeregt, liebevoll, klar.

Einige Wochen später erzählte L., dass ein Junge aus ihrer Klasse sie genervt habe, weil er immer fragte: „Was machen wir als Nächstes?“
Und was sagte sie?

„Wir leben im Hier und Jetzt.“

Das ist keine Phrase. Das ist eine Transferleistung.
Ein Moment, in dem Naturalkids® über den Paddock hinauswirkt – in die Schule, das Leben, das Selbstbild eines Kindes.

Beispiel: Desty – der große Lehrmeister

Mein erstes Angebot fand auf einem Feldweg statt. Keine Weide, kein Reitplatz, keine Halle. Nur vier Kinder. Und Desty – mein 1,65 m großer, fünfjähriger Wallach.
Ein sensibles Pferd mit viel Energie – und null Interesse an Kindern.

Ich hatte keine perfekte Infrastruktur. Aber ich hatte ein Ziel:
Es sollte nie wieder ein Kind am Rand stehen und sich klein fühlen, so wie ich damals.

Und so wurde aus jedem gemeinsamen Schritt ein Lernmoment:
Wenn Desty unruhig war, lernten die Kinder, Körpersprache zu lesen.
Wenn jemand zögerte, übten wir Geduld.
Wenn etwas gelang, feierten wir nicht das „Können“, sondern das „Verstehen“.

Und die Eltern?

Eltern schreiben uns oft, dass ihr Kind plötzlich ruhiger wird, Konflikte besser löst oder neue Sicherheit ausstrahlt – ohne dass sie erklären könnten, warum.
Oder dass sie sich selbst das erste Mal richtig wohlfühlen auf einem Hof, weil sie nicht das Gefühl haben, stören zu dürfen.
Weil es Raum gibt. Für Vertrauen. Für Fehler. Für Entwicklung.

Diese Geschichten sind kein Zufall.
Sie sind das Ergebnis einer Haltung, eines Konzepts, einer Entscheidung:
Pferde nicht als Sportgeräte zu sehen. Kinder nicht als zu lenkende Körper. Und Reitpädagogik nicht als Freizeitspaß, sondern als echten Beitrag zu einer besseren Welt für Mensch und Tier.

Warum das auch für Trainer:innen so wichtig ist

Reitpädagogik auf diese Weise zu leben, verändert nicht nur die Kinder. Es verändert auch uns.

Denn viele Trainer:innen, die zu Naturalkids® finden, haben selbst erlebt, wie es nicht sein sollte:

  • Sie standen früher im Stall am Rand – unsicher, verurteilt, übersehen.
  • Sie haben erlebt, wie Druck, Leistung und Drill das Pferd und den Menschen gleichermaßen verstummen lassen.
  • Oder sie haben im pädagogischen Bereich gearbeitet – aber gespürt, dass dort etwas Entscheidendes fehlt: das Pferd als echter Beziehungspartner.

Und dann kommen sie zu uns – und merken:

  • „Ich darf das anders machen.“
  • „Ich muss nicht funktionieren – ich darf gestalten.“
  • „Ich kann meine Liebe zu Kindern und Pferden verbinden – und daraus eine echte Berufung machen.“

Bei Naturalkids® begleiten wir Trainer:innen deshalb nicht nur fachlich – wir ermutigen, stärken und strukturieren.

  • Wir helfen dir, deinen Weg zu finden – ohne dich verbiegen zu müssen.
  • Wir zeigen dir, wie du Klarheit gewinnst – pädagogisch, unternehmerisch, persönlich.
  • Und wir geben dir das Handwerkszeug an die Hand, um mit Kopf, Herz und Haltung zu arbeiten – so, dass es wirkt.

Denn du kannst nur dann für andere da sein, wenn du auch für dich selbst einen guten Platz findest.
Und genau diesen Platz wollen wir gemeinsam mit dir bauen.

Was ist Naturalkids® – in einem Satz? Und warum ist das erst der Anfang?

Naturalkids® ist ein Ort, an dem Kinder, Pferde und Menschen wachsen – nicht weil sie müssen, sondern weil sie dürfen.

Es ist ein Konzept, das auf Bindung statt auf Bewertung setzt.
Auf Vertrauen statt auf Technik.
Auf echtes Lernen statt auf reines Funktionieren.

Und es ist ein Netzwerk, das stetig wächst: mit Reitpädagog:innen, die bereit sind, neue Wege zu gehen.
Mit Eltern, die spüren, dass da mehr passiert als „nur Ponyreiten“.
Mit Kindern, die sich sicher genug fühlen, um über sich hinauszuwachsen.
Und mit Pferden, die gehört, gesehen und geachtet werden – als die feinen, klugen Lebewesen, die sie sind.

Naturalkids® ist kein Trend.
Es ist eine Haltung.
Ein Beitrag.
Eine Bewegung.

Und wenn du das Gefühl hast, dass da noch mehr in dir steckt – als Mensch, als Pädagog:in, als Pferdefreund:in –
dann laden wir dich ein:
Werde Teil davon.

Denn was mit vier Kindern auf einem Feldweg begann, ist heute ein lebendiges Konzept mit Impact.
Und dein Platz ist vielleicht genau hier.

Und wenn du jetzt spürst: Genau so will ich auch arbeiten …

Dann bist du bei Naturalkids® genau richtig.

Denn wir brauchen mehr Menschen, die bereit sind, Reitpädagogik neu zu denken – nicht als Abbild klassischer Reitschulen, sondern als echten Raum für Entwicklung, Beziehung und Freude am gemeinsamen Wachsen.

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