Reiten ist ein teurer Sport, dass hört man immer wieder. Und ich kann das aus meiner Sicht nur bestätigen.
Ich habe vor einigen Tagen eine Facebookgruppe gegründet, mit dem Namen „Mein Kind will Reiten, und nun?“. Ihr könnt euch gern hier eintragen: https://www.facebook.com/groups/1612697652310866
Da geht es aktuell um eine Diskussion, die ich auch schon öfter mit Eltern geführt habe, nämlich, warum unsere Angebote mehr kosten als anderswo. Und dann atme ich einmal tief durch und beginne den Eltern vorzurechnen, was eigentlich klar auf der Hand liegt:
Bei meinem Beispiel gehen wir von einer fiktiven Reitschule im Vollerwerb aus.
Das heißt, es gibt keine weiteren Nebeneinkünfte wie einen arbeitenden Ehemann, Einsteller oder Zucht.
Für eine Reitschule werden mindestens 3 Vollzeitmitarbeiter benötigt. Warum? Darum:
- Pferdeversorgung 7 Tage/Woche (Futter, Wasser, Ausmisten, wöchentlicher Korrekturberitt, Krankheitsversorgung,…)
- Büro 5 Tage/Woche (Akquise, Abrechnung, Buchhaltung usw.)
- Unterricht 5 Tage/Woche
- jeder Mitarbeiter hat ein Recht auf Urlaub und Krankheit, usw.
Das sind die großen Bereiche. Hier finden sich alle Dinge wie „Werbung ausfahren“ oder „Betreuung der Pferde bei der Hufpflege“ oder „Gespräche mit Kunden“, sowie die alltäglichen Dinge wie „Pferde versorgen“, „Unterricht geben“ usw.
Für die 3 Vollzeitarbeiter bezahlt man als Arbeitgeber ca. 3000,00 € pro Person.
Eigentlich noch mehr, weil man ja auch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zahlen muss und auch der Urlaub muss bezahlt werden . Die Ponys müssen aber trotzdem versorgt werden. Also braucht man eine Urlaubsvertretung… Aber um es einfacher zu machen, gehen wir jetzt in meinem Beispiel mal von absolut topfitten Mitarbeitern aus, die überengagiert sind. 🙂
3000,00 € pro Mitarbeiter sind schon 9000,00 € pro Monat, die die Reitschule reinwirtschaften muss. Nur für die Mitarbeiter. Da Kinder vormittags in der Schule sind, können Reitschulen nur nachmittags Unterricht anbieten. Aufgrund der Ganztagsschule bei vielen erst ab ca. 16 Uhr. Wir gehen von optimalen Zahlen aus: Unterricht von 15.00 Uhr – 19.00 Uhr (danach müssen die Kids ja auch ins Bett). Da haben wir also 4 Stunden Unterricht pro Tag – und ehrlich? Viel mehr schafft man auch nicht am Stück, wenn man wirklich Qualität anbieten möchte und nicht nur die Kinder als Fließbandarbeit abfertigen will. Zumal dann noch mehr Pferde benötigt werden (siehe weiter unten im Text).
Also haben wir in der Woche 20 Stunden, in denen wir Einnahmen generieren können. Das sind ca 80 Stunden im Monat.
Wir müssen also in 80 Stunden 9000,00 € reinwirtschaften, nur um allein die Mitarbeiter mit zu finanzieren. Da wir als Betrieb mit Einnahmen in der Größenordnung Umsatzsteuerpflichtig sind, müssen wir diese 19% noch obendrauf rechnen. Also benötigen wir jeden Monat 10710,00 € an Einnahmen, um selbst existieren zu können.
Wer gut rechnen kann, kommt hier schon auf einen Stundensatz in Höhe von 133,88€. Und da ist noch nichts anderes von bezahlt: Der Hof will bezahlt werden (hier kann man mindestens mit 1000,00 € pro Monat rechnen – entweder Kreditabzahlung oder Miete/Pacht oder aber Instanthaltung des bereits abbezahlten Eigentums), Strom, Wasser, Futter (Heu, Stroh, Mineralfutter, Kraftfutter,…), Versicherung, Tierarzt, Instanthaltung von Verbrauchsdingen (Zäune etc.), Bürobedarf, Telefon, … usw. kommt ja auch noch dazu! Weiterhin Gelder für Weiterbildungen und eigenen Unterricht, um sich selbst auch auf einem guten Stand zu halten… Die Liste der weiteren Kosten ist endlos… Man kann im Prinzip mindestens das Doppelte nochmal draufrechnen, wenn man wirklich davon leben können möchte.
Wir sprechen dann von einem Stundesatz in Höhe von 260,00 €.
Und dann können wir ja nicht 52 Montage-Freitage rechnen. Die Ferien müssen ausgeklammert werden (da sind zu viele im Urlaub). Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Himmelfahrt,… viele Feiertage können auch nicht angeboten werden – es sei denn man macht Zusatzangebote – aber hat nicht auch ein Reitschulbesitzer mal ein Recht auf Feiertage und Erholung und Pause?
Wenn man mit 100% ausgelastet ist, hat man pro Woche 120 Kinder. Das heißt, pro Tag 24 Kinder, wenn man mit qualitativ verträglichen kleinen Gruppen arbeitet. Also pro Stunde 6 Kinder. Wenn kein Pferd mehr als 2 Stunden gehen soll, braucht man schon 12 Pferde (!). Was wenn ein Pferd krank wird? Dann geht die ganze schöne Planung mit „pferdeschonend arbeiten“ usw. nicht mehr auf…. Was, wenn ein Kind nicht kann und die Eltern dann die Stunde auch nicht bezahlen möchten? Oder Du bekommst als Reitschule einen Kurs nicht voll? Dann sind schnell die (fiktiven) 43,33 € pro Teilnehmer in einer Gruppenstunde auch nicht ausreichend um alle Kosten zu decken. Gewinn hat man damit nämlich noch keinen gemacht. Neuanschaffungen sind also auch nicht drin (z.B. neues Putzzeug oder Futtereimer oder Zaunlatten oder ein neues Pony oder oder oder).
Ich möchte jetzt nicht näher ins Detail gehen, aber es gibt einen Grund, warum Reitschulen mehr verlangen, als 10,00 €/Stunde. Und ich würde mir wünschen, dass mehr Eltern sehen, was da eigentlich hinter steckt. Welche Arbeit, welche Mühen. Wieviele Opfer viele Reitschulbesitzer bringen, um die Kosten so gering wie möglich zu halten.
Und ich möchte gern die Augen öffnen, woran unter Umständen gespart wird, wenn zu absoluten Dumpingpreisen Reitstunden angeboten werden. Auf welche Kosten das Sparen geht, sollte jedoch nach meiner Rechnung deutlich werden: A) An der Haltung und Versorgung der Ponys und B) an der Qualität und Sicherheit des Unterrichts.
Die Problematik kann für Reitschulbetreiber also nur gelöst werden, in dem entweder deutlich höhere Preise genommen werden oder aber größere Gruppen die Qualität verschlechtern…
Ich weiß, dass dieser Beitrag einer der Beiträge ist, die von einigen kritisch betrachtet werden dürften. Aber mir lag es auf der Seele, einfach mal mit gesundem Menschenverstand die ganze Sache zu betrachten und ein wenig aufzuräumen mit der Meinung, dass wir mit unserem Stundensatz zu teuer sind…
Eure Marina