Dass Pferde gefährliche Tiere sind, hört man immer wieder. Gerade hier entstehen viele Unfälle. Alleine in Deutschland sind es jährlich mehr als 12.000 Unfälle mit Pferden und Kindern unter 14 Jahren (!).

Dabei kann die Unfallgefahr durch ein paar Veränderungen im Betrieb und im Umgang mit den Pferden drastisch gesenkt werden.

Ich finde es schlimm, dass es heutzutage immer noch gang und gäbe ist, dass Eltern beim Reitunterricht ihrer Kleinsten zuschauen, und dabei Magenschmerzen haben und am liebsten gar nicht hingucken würden, während ihr Sprössling Runde um Runde auf dem imposanten Tier dreht. Durchfall bei Kindern vor lauter Angst vor der Reitstunde, weil Angst davor besteht, das „falsche“ Pferd abzubekommen, ist ebenfalls ein Symptom, welches aus meiner Sicht nicht normal ist, mir aber immer wieder geschildert wird. Auch dass in jeder Stunde ein Pferd die Mitarbeit verweigert, ist ein Phänomen, das ich in den vielen Jahren, die ich mit meinem Team tätig bin, nicht kenne.

Daher stellte sich mir schnell die Frage: Ist unser Konzept nun so überragend? So außergewöhnlich?

Offensichtlich schon!

Dabei fällt es uns keinerseits schwer, das Konzept an die Bedürfnisse der unterschiedlichen Beteiligten anzupassen. Es erfordert jedoch ein Umdenken.

Früher wurde Angst vorm Reiten einfach „weggeritten“. Man steigt mit mulmigem Gefühl aufs Pferd und irgendwann hatte man sich dann halt wohlzufühlen. Oder auch nicht.

Mein Konzept welches wir auf der Natural Kids Ranch durchführen, beruht auf den Grundsätzen des Natural Horsemanship. Der natürliche Umgang mit dem Pferd ist unsere Basis. Die Ponys fühlen sich verstanden und arbeiten auf dieser Grundlage gern mit. Dadurch werden Unfälle aufgrund von ‚Unwilligkeit‘ vermieden, gerade auch, weil die Rücksichtnahme auf das Pony bei uns eine sehr große Rolle spielt.

Dadurch, dass der Schwerpunkt bei uns aber nicht ausschließlich auf dem Reiten an sich liegt, ist Angst beim Reiten zwar ein wichtiges Thema, das uns im Alltag jedoch kaum begegnet. Wir sorgen dafür, dass die Kinder Erfolgserlebnisse haben und lassen Ängste gar nicht erst entstehen Unsere Trainer sind speziell geschult und können auf ihr Wissen über biopsychosoziale Vorgänge in der Entwicklung von Kindern zurückgreifen. So stellen wir sicher, dass kein Kind über- oder unterfordert wird. Unsere Trainer sind in der Lage zu erkennen, wann Dinge aus welchem Grund nicht oder noch nicht umgesetzt werden können. Sie wissen, mit welchen Methoden sie arbeiten können, um unsere Schwerpunkte, die Entwicklung und Sozialisation der Kinder, gezielt zu fördern.

Druck und Zwang ist dabei für uns ausgeschlossen. Unser Motto ist „alles kann, nichts muss“. Bei uns dürfen die Kinder „nein“ sagen und das wird dann auch respektiert. Ist das Kind unsicher im Umgang mit dem Pferd, greifen wir unterstützend ein. Die Beziehung zum Pferd baut sich so mit der Zeit von selbst auf.

Gerade die ersten Erlebnisse mit Pferden können darüber entscheiden, ob das Verhältnis des Kindes zum Pferd von Vertrauen geprägt ist oder ob die Angst zum ständigen Begleiter wird.

Daher werden bei uns alle Kinder grundsätzlich individuell betreut und das Reiten wird spielerisch gestaltet. Z.B. wird in der ersten Stunde unserer Schnupperkurse noch gar nicht geritten. Hier geht es zunächst ausschließlich um Vertrauensbildung. Vertrauen zu uns als Trainern, zu dem Pony, zur Gruppe, zur Umgebung usw. Dann fangen wir langsam an mit dem Reiten. Erst mit nur einem Pony, dann nehmen wir ein oder zwei weitere hinzu. Die Kinder führen sich gegenseitig und gewinnen dadurch auch gleich die Sicherheit am Boden mit dem Pferd. Auf diese Weise übernehmen sie Verantwortung und bauen Vertrauen zum Pferd und auch zu den anderen Kindern auf.

Wir machen die Erfahrung, dass die Kinder nach diesen Einführungskursen mit viel weniger Angst in ihre erste richtige Reitstunde kommen und viel aufgeschlossener sind. Wir legen bei der Eingewöhnung der Kinder viel Wert darauf, ihnen auch das Wesen des Pferdes, seine Eigenarten und Bedürfnisse nahezubringen. Das ist ein wesentliches Element des Natural Horsemanship. Wir erklären den Kindern z.B., dass das Pony eigentlich gar nicht zum Reiten geboren ist und wie großartig es ist, dass es uns auf sich sitzen lässt. Bei uns gibt es außerdem ‚Verwöhnstunden‘, in denen die Kinder selbst überlegen sollen, wie sie ihrem Pony Gutes tun können.

In jedem Fall führt unserer Meinung nach der Weg zum angstfreien Reiten darüber, den Kindern von Beginn an unangenehme Erfahrungen zu ersparen.

Ob dies gelingt, hängt von verschiedenen weiteren Faktoren ab. So wird der Auswahl und Ausbildung der Pferde oftmals zu wenig Bedeutung beigemessen. Brave Ponys, die regelmäßig Korrektur geritten werden, sind eine elementare Voraussetzung, um das Unfallrisiko zu mindern und den Kindern Momente der Hilflosigkeit zu ersparen. Nur ein Pferd, das fein auf Hilfen reagiert, vermittelt Sicherheit und verhindert das Ohnmachtsgefühl, dass das Pony wie ferngesteuert unter dem Kind über den Reitplatz läuft und das Kind nicht einwirken kann. Alle Ponys sind als Therapiepferde ausgebildet. Unsere artgerechte Haltung trägt ebenfalls zur Sicherheit der Kinder bei. Bei uns leben die Ponys im Offenstall, wo sie rund um die Uhr soziales Verhalten ausleben können. Rangordnungsdiskussionen finden so ausschließlich außerhalb des Unterrichts statt. In unserer Verantwortung liegt ebenfalls, das passende Pony für das passende Kind auszuwählen.

Natürlich passiert es auch bei uns, dass mal ein Kind vom Pony plumpst.

Meist gibt es dann jedoch nur Gekicher und das Kind klettert schnell wieder rauf. Der Grund ist in der Regel einfach fehlendes Gleichgewicht. Dabei passiert normalerweise nichts. Wir erklären dem Kind dann, warum es gefallen ist. Aber Ängste nehmen wir natürlich ernst und gehen gegebenenfalls zunächst einen Schritt zurück. Außerdem wird mit allen Kindern ein spezielles Falltraining absolviert.

Du siehst, es geht anders, und ich denke, wir haben auf der Natural Kids Ranch eine gute Basis geschaffen, um Ängste zu nehmen und Erfolgserlebnisse zu schaffen.

Wie siehst du das? Kennst du vielleicht selbst das Gefühl, deinem Kind beim Reiten zuzuschauen und Angst zu haben? Frag dich, ob diese Angst nicht sogar berechtigt ist. Ich freue mich wie immer auf deine Meinung!

Alles liebe,

Marina Lange

PS: der Text gehört zu einem Artikel aus der Dressurstudien-Fachzeitschrift, für die wir speziell zum Thema „Angst“ ein Interview gaben. Wer diesen Artikel gern lesen möchte, kann dies hier tun: http://www.dressur-studien.de/spielerisch-die-angst-verlieren-reitschulen-fuer-kinder/

4 Kommentare

  1. Melanie Ahlers

    Angst vorm Reiten kenne ich nur zu gut! Aber Gott sei Dank nicht von meinem Sohn der sich mit den Ponys auf der Natural Kids Ranch sauwohl fühlt, sondern nur von mir aus meiner eigenen Kindheit.

    Damals gab es sowas wie Falltraining nicht, und auch „liebe“ Ponys waren keine Selbstverständlickeit. Ich hatte sogar im Stall Angst an einigen Boxen vorbeizugehen, weil es Ponys gab die nach den Kindern gebissen haben. Ich habe trotzdem Pferde lieben gelernt, hatte aber auf dem Ponyhof immer auch gemischte Gefühle: Angst vor den „bösen“ Pferden, Angst das falsche Pferd zum Reiten zu bekommen aber auch ganz viel Freude und Vorfreude auf mein liebes geliebtes Pflegepony.

    Ich bin froh, dass mein Sohn es da heute besser hat und ausschließlich liebe Ponys auf dem Hof antrifft, die völlig ausgeglichen und verlässlich sind und die nicht durch quälerische unsachgemäße Haltung verzogen, störrisch oder „böse“ geworden sind.

    Ich bin zwar zur Zeit wieder ganz oft bei der Reitstunde mit dabei, aber dies nur deshalb, weil mein Vierjähriger etwas Zeit brauchte um die neue Trainerin „anzunehmen“ und nach dem Wechsel erstmal an mir klammerte. Angst um meinen Sohn habe ich auf der Ranch überhaupt nicht. Da habe ich sowohl zu den Ponys als auch zu den Trainern volles Vertrauen. Und das überträgt sich glaube ich auch auf meinen Sohn.

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    • Marina Lange

      Hallo liebe Frau Ahlers,

      ja, die Geschichten mit Angst vor den Ponyzähnen kenn ich auch aus der Kindheit… unvorstellbar, dass die Faszination Pferd so groß ist, dass man zum Teil schlimme Verletzungen in Kauf nimmt, nur um Kontakt zu den eigentlich recht gutmütigen Tieren zu bekommen.

      Trainerwechsel sind immer problematisch, wir versuchen solche Situationen so gut es geht zu vermeiden. Leider hatten wir in diesem Falle keine andere Möglichkeit, aber ich freue mich sehr darüber, dass wir diese kleine „Krise“ gut überstanden haben. 🙂

      Herzliche Grüße

      Marina Lange

      Antworten
  2. Nicole

    Sehr schöner Artikel.
    Was ist denn ein Falltraining? 🙂 Das würde mich noch interessieren.
    Schade, dass es nicht mehr Reitschulen wie Ihre gibt.

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    • Marina Lange

      Hallo Nicole,

      Falltraining bedeutet bei uns, dass die Kinder üben, wie man richtig fällt. Im Ernstfall hat das Gehirn des Kindes die Bewegungsabläufe schon so verinnerlicht und gespeichert, dass das richtige Fallen automatisiert abläuft. So können schlimmere Unfälle vermieden werden. Genaueres findest du auch in diesem Artikel hier: http://meinkindwillreiten.de/falltraining/

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